Wasserleben Leipzig

Auen / Auwald

Auen

Flussbiegung der Weißen Elster im Schlosspark Lützschena

Das Wort Aue bedeutet Flutland. Auen sind Landschaften, die durch eine starke Dynamik ihrer Fließgewässer entstanden sind. Unregelmäßig wiederkehrende Überflutungen sind genauso Bestandteil einer natürlichen Auendynamik, wie sommerliches Trockenfallen. Diese natürliche Dynamik der Flüsse hat eine analoge Dynamik im Grundwasser zur Folge. Dabei wird in einer Aue in der Regel mehr Wasser im unterirdischen Grundwasser transportiert, als oberflächlich in den Flüssen zu sehen ist.

Der schnellste und kürzeste Weg für das Wasser wäre ein gerader Flusslauf. Jedoch sorgen natürliche und zufällige Unregelmäßigkeiten und Strömungshindernisse dafür, dass natürliche Flussläufe in Landschaften mit geringem Gefälle, wie es bei uns in der Leipziger Tieflandsbucht vorherrscht, mäandrieren. Eine wichtige Funktion von Fließgewässern in Auen ist der Stofftransport und somit die Umlagerung von Sedimenten. Da die Kraft des strömenden Wassers geradeaus wirkt, kommt es in Außenkurven von Fließgewässern zu verstärktem Bodenabtrag (Erosion). In den Innenkurven hingegen, in denen nicht selten sogar Kehrwässer (entgegen der Flussrichtung gerichtete Strömungen) entstehen, kommt es zur Substratablagerung (Sedimentation). Wenn Flüsse bei Hochwasser besonders viel Wasser transportieren, transportieren sie damit normalerweise auch besonders viel Geschiebe. Erosion und Sedimentation erfolgen dann besonders intensiv und können zur Neugestaltung der Auenlandschaft führen.



Geschichte der Leipziger Auenentwicklung

Ausschlaggebend für die Entstehung des Leipziger Binnendeltas war die Saale-Eiszeit. Das gewaltige Innlandeisschild hinterließ unter anderem die Tauchaer Endmoränenlandschaft. Durch diese geologische Überformung der Landschaft in der Saale-Eiszeit konnten die von Süden kommenden Flüsse Weiße Elster und Pleiße nicht einfach nach Norden weiter fließen. Sie wurden gezwungen, nach Westen abzubiegen. Dabei kam es zu einer Verringerung des Fließgefälles und damit einhergehend zu einer geringeren Strömungsgeschwindigkeit der Flüsse. Dies hatte zur Folge, dass sich die Flüsse aufgabelten (Furkation) und das Leipziger Binnendelta bildeten.

Das Leipziger Binnendelta begann im Süden mit dem Abzweig der Batschke von der Weißen Elster. Heute sind nur noch Reste des Batschkelaufes in den Floßgraben integriert, der im Connewitzer Holz in die Pleiße mündet. Im Nordwesten endet das Leipziger Binnendelta an der Mündung von Weißer Elster und Luppe in die Saaleaue. Allerdings enden viele Untersuchungen und Betrachtungen an der Landesgrenze südlich von Schkeuditz. Zu den natürlichen Fließgewässern des Leipziger Binnendeltas gehören oder gehörten unter anderem im Süden die Paußnitz, die Rödel, und das Coburger Wasser und in der Nordwestaue das Hundewasser und die vielen verzweigten Luppeläufe, wie z.B. die Südliche und Nördliche Alte Luppe, Rote Luppe, Heuweg-Luppe, Schlohbachs-Luppe, Namenlose Luppe. Außerdem mündeten die Gösel und die Parthe als größere Bachauen in alten Muldeurstromtälern sowie die Nördliche und die Östliche Rietzschke und der Zschampert als kleine Bäche in das Leipziger Binnendelta.

Leipzig entwickelte sich am Südufer der Parthe. Weiße Elster und Pleiße lagen ursprünglich mehr al 1 km vom historischen Leipzig, dem heutigen Stadtzentrum, entfernt. Die Pleiße kam der Stadt Leipzig am heutigen Johannapark am nächstem dessen östliche Umrandung annähernd dem historischen Pleißelauf entspricht. Da die sich entwickelnde Stadt für verschiedene Nutzungen die Kraft des Wassers benötigte, wurden eine Reihe von Mühlgräben erbaut, die das Wasser von Weißer Elster und Pleiße an das historische Leipzig heranführten. Um das Wasser für Mühlgräben aufstauen und in diese ableiten zu können, wurden ebenfalls eine Reihe von Wehren errichtet. Wehre und Mühlgräben hatten allerdings als wasserbauliche Einrichtungen erste erhebliche Auswirkungen auf die natürliche Dynamik der Leipziger Auen. Um den Wasserablauf an Mühlen im Hochwasserfall durch Öffnen der Wehre kontrollieren zu können, erwarb die Stadt Leipzig an vielen Mühlenwehren außerhalb des damaligen Stadtgebietes die Wasserrechte und verpachtete sie an die Mühlenbetreiber.


Die Leipziger Auwälder

Nach der Eiszeit waren die Stromtalauen der großen Flussläufe vor allem von gröberen Sedimenten, von Sanden und Kiesen geprägt. Auf ihnen siedelten sich bevorzugt weiche Pioniergehölze, wie Weiden und Pappeln an. Die von weichen Pioniergehölzen geprägten Auenwälder nennt man Weichholzauwälder. Bis vor ca. 5.000 Jahren waren Weichholzauenwälder in allen mitteldeutschen Flussauen weit verbreitet.

Auf Grund der reduzierten Strömungsgeschwindigkeit der Fließgewässer im Leipziger Binnendelta lagerten sich hier bei Hochwasser vor allem die feineren Sedimente ab, die zur Bildung von Auenlehm führten. Vor allem durch menschliche Besiedlung und Landschaftsgestaltung kam es in den Oberlaufbereichen der Flüsse zu verstärkter Bodenerosion. Vor ca. 5.000 Jahren waren die Lehmablagerungen in der Leipziger Aue so weit vorangeschritten, dass sich auf den erhöhten Lehmbänken die ersten Hartholzauwälder entwickeln konnten. Hartholzauenwälder werden von Gewöhnlicher Esche, Stiel-Eiche und Ulmen geprägt. Während Weichholzauen charakteristisch für flachere häufiger überflutete Bereiche und Wasserwechselzonen sind, gedeihen Hartholzauwälder auf höher gelegenen seltener überfluteten Auenbereichen auf Standorten mit feineren Sedimenten.

Aufgrund der besonderen eiszeitlich bedingten Geomorphologie des Leipziger Raumes kam es im Leipziger Binnendelta zu besonders hohen und kompakte Ablagerungen von Auenlehm, die so in Mitteldeutschland einmalig sind. Deshalb haben sich im Leipziger Binnendelta die ersten Hartholzauwälder Sachsens herausgebildet. Die stärksten Lehmablagerungen in der Leipziger Aue erfolgten seit den immensen Rodungen der Wälder in den Mittelgebirgen während der Berggeschreye im Mittelalter. Ohne menschliche Verbauung befand sich der natürliche Flusslauf der Weißen Elster auf den nacheiszeitlichen Elsterkiesen tief eingeschnitten in der bis zu 4 Meter mächtigen Auenlehmablagerung. Nur Bei Hochwasser stieg das Wasser in dem in der Regel relativ engen Flussbett auf und überflutete die angrenzende Aue. Wegen dieser mächtigen Auenlehmablagerungen und den darin tief eingeschnittenen natürlichen Flussläufen entwickelte sich der Leipziger Auwald zu dem am seltensten überfluteten und damit trockensten aber auch artenreichsten Hartholzauwald in ganz Mitteldeutschland.

Die Auen von Gösel, Parthe und am Unterlauf des Zschamperts waren hingegen typische Niedermoorbachauen, deren Bachauenwälder auf den Moorböden von Schwarzerle und Gewöhnliche Traubenkirsche geprägt waren.

Auwald im Schlosspark Lützschena

Veränderung durch den Menschen

Wann die Besiedlung der Leipziger Auen nach der letzten Eiszeit durch Jäger und Sammler begann, ist unklar. Ebenso ist unklar, wann sich die ersten sesshaften Siedler hier niederließen. Nach Hempel (2009) gehörte das Gebiet der Leipziger Auen zu dem am schnellsten und am intensivsten besiedelten Gebieten Sachsens nach der Eiszeit. 5.000 v. Chr. begann die Kultur der Bandkeramiker. Zu diesem Zeitpunkt waren die Ränder der Aue bereits gut entwickelt besiedelt mit Fachwerkbauwerken, von denen der knapp 7.000 Jahre alte Brunnen von Schkeuditz ein bedeutendes Zeugnis ist. Die nutzungsbedingte Überprägung der Aue durch den Menschen war nach den damaligen technischen Möglichkeiten intensiv (Waldweide, Streunutzung). Hempel (2009) postuliert deshalb, dass sich der Leipziger Auwald als einziger Wald in Sachsen durch die menschliche Nutzung nie zu einem Urwald entwickeln konnte. Für die Zeit vor der Bandkeramiker-Kultur ist die Quellenlage nicht eindeutig, aber es ist sehr wahrscheinlich, dass die Ansiedlung der Stiel-Eiche in der Region vor mindestens 8.000 Jahren (Eismann: Holzkohlefunde) auf menschlichen Einfluss zurückgeht.

Ursprünglich hielten sogenannte Bulldozerarten, wie Wisent, Elch, Auerochse, Rentier, Hirsche oder Tarpan die Pionierwälder der Leipziger Auen offen und strukturreich. Diese wurden jedoch von den Menschen durch Jagd und Landinanspruchnahme für ihre Haustiere verdrängt. Im Verlauf der Besiedlung des Gebietes wurde die Auenlandschaft durch den Menschen ein ähnlich vielfältig strukturiertes Landschafts- und Biotop-Mosaik. Dies bestand nun aus intensiv genutzten Wäldern (Mittelwald, Hutewald; Lese- und Grasrechte, Gewinnung von Eichenlohe für Gerber), Lichtungen sowie Weide- und Mahdgrünland.

Zur Nutzung der Wasserkraft begannen die Menschen vor mindestens 1.000 Jahren mit dem Bau von Mühlen und Mühlenwehren. Die erste urkundliche Erwähnung einer Mühle in Nordwestsachsen stammt aus dem Jahr 995. Nach Grebenstein (1984) wurde in Leipziger Raum für Mühlen das Überfallwehr bevorzugt, da die Flüsse klimabedingt wenig Wasser führen. So wurde teilweise die gesamte Wassermenge auf die zur Versorgung stadtnaher Mühlen gebauten Mühlgräben umgeleitet.

Das Naturkundemuseum Leipzig beherbergt Funde aus den frühen außerstädtischen Siedlungen. 1976 wurde in Naundorf (heute Lessingstraße) beim Bau eines Umspannwerkes ein Tongefäß aus mittelalterlicher, blau-grauer Keramik gefunden. In dem Gefäß befanden sich 129 kupferpatinierte Münzen. Bei den Münzen handelte es sich um Meißener Groschen, die in Freiberg geprägt wurden. Die Vorderseite zeigt ein Kreuz mit Vierpäßen, die Rückseite den Meißener Löwen im Profil. Geprägt wurden die Münzen zwischen 1360 und 1395 und vermutlich um 1400 als Schatz vergraben.

Über Jahrtausende fand fast ausschließlich Grünlandnutzung in der Aue statt. Die Auenwiesen waren in der Regel bunte artenreiche Blumenwiesen. Die Umwandlung von Auenland (Flutland) in Ackerland begann erst vor 130 Jahren und fand im heutigen Leipzig schwerpunktmäßig in den 1980er Jahren (z.B. Pfingstacker in den 1980er Jahren) statt. Ackerbau fand in der Regel nur außerhalb der Aue statt. Die zunehmende Überdüngung der Landschaft, beginnend in den 1960er Jahren, führte zu einer eheblichen Artenverarmung unserer Auenwiesen. Besonders negativ wirkte sich allerdings die Ausbringung von Gülle auf Äcker und Wiesen der Aue aus.

Erst im 19. und 20. Jahrhundert wurden die Flussläufe zur Hochwasserregulierungen begradigt, ihre Steilufer abgeschrägt, ihre Wasserläufe mit Wasserbausteinen gegen natürliche Erosion befestigt sowie Deiche und Wehre gebaut. Die Mühlen verschwanden aus der näheren Umgebung der Stadt. Die Wehre, die einst der Wassersteuerung für die Mühlgräben der Mühlen dienten, dienen nun allein der Wasseraufteilung für die verbliebenen Fließgewässer im Wasserknoten Leipzig. Noch zu oft verhindert oder nivelliert diese künstliche Wasserregulierung eine natürliche Auendynamik

Mit dem Anlegen von Rückhaltebecken und Stauseen entstanden aber auch großflächige Binnengewässer, die den Landschaftscharakter veränderten. Das wird in jüngster Zeit mit dem Entstehen eines Seengebietes, nach der Flutung ehemaliger Tagebaue südlich von Leipzig, besonders deutlich. Bis heute sind die Auengewässer gerade durch Tagebau dort häufig kanalisiert.

Mühle in Dölitz (Quelle: Archiv Naturkundemuseum Leipzig)

Naturschutz

Obwohl das Leipziger Auengebiet bereits in den 1990er Jahren zum Naturschutzschwerpunktprojekt des Freistaates Sachsen erklärt wurde, hat es seitdem kaum wesentliche Verbesserungen für diesen so wertvollen Lebensraum gegeben. Bisher realisierte Projekte, wie der Burgauenbach, waren erste Rettungsanker für dauerhaft austrocknende Lachen, erwiesen sich aber bisher als viel zu klein dimensioniert, um die ursprüngliche Funktionalität eines Auenlebensraumes wiederherzustellen. Auch das vom Bundesamt für Naturschutz geförderte Projekt „Lebendige Luppe“ ließ sich anfangs zu sehr von in der Vergangenheit geschaffenen Hindernissen leiten und war so nicht genehmigungsfähig. Mit der derzeitigen Erarbeitung eines Auenentwicklungskonzeptes soll nun erstmals eine solide Grundlage geschaffen werden, um den Leipziger Auen zukünftig wieder mehr von ihrer ursprünglichen Funktionalität zurückzugeben und damit diese wertvollen Lebensräume langfristig mit ihrer spezifischen Artenvielfalt zu sichern.

Auwaldstation am Schlosspark Lützschena

Text:

Naturkundemuseum Leipzig

Lortzingstraße 3, 04105 Leipzig

Tel. 0341 98221-0

www.naturkundemuseum.leipzig.de